Diskussionen über die richtige Lehre und das daraus gestaltete Leben der Christen und ihrer Gemeinden gab es fast von Beginn an. Schon die Apostelgeschichte und die Briefe des Neuen Testamentes berichten davon. Doch vor allem als das Christentum im späten römischen Reich quasi Staatsreligion wurde, gab es Fehlentwicklungen, gegen die immer wieder beherzte Menschen auftraten und Reformen forderten. Also schon lange vor Luther und Calvin! Sie forderten die Rückkehr zur Einfachheit des Evangeliums, kritisierten die Hierarchie der Kirche und beriefen sich auf die alleinige Autorität der Bibel. Neben Ordensgründern (z.B. Benedikt von Nursia, Franz von Assisi) sind vor allem die sogenannten Vor-Reformatoren zu nennen:
Die wichtigsten sind:
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Petrus Waldes im Frankreich des 12. Jahrhunderts,
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John Wiclif im England des 14. Jahrhunderts,
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Jan Hus im Böhmen des 14. und 15. Jahrhunderts.
Petrus Waldes (1140-1217)
Petrus Waldes – auch Waldus, Pierre Valdo, Vaudès oder Valdès – war Kaufmann in Lyon. Das Lesen der Bibel bewegte ihn, allen Besitz zu verkaufen und fortan zu predigen und in Armut zu leben. Er ließ die Bibel teilweise in die Sprache des Volkes übersetzen. Ihm folgten zahlreiche Anhänger, die Waldenser. Der Papst verweigerte Waldes die Erlaubnis zur Laienpredigt. Auf dem Konzil von Verona (1184) wurden die Waldenser aus der Kirche ausgeschlossen. Trotz anhaltender Verfolgungen verbreitete sich die Waldenserbewegung in Frankreich, Italien, Deutschland und bis nach Ungarn und Polen. In Österreich steht in Steyr ein Waldenserdenkmal. Die Stadt war ein Zentrum der Bewegung (Bummerlhaus!) und in ihrer Nähe wurden Waldenser verbrannt.
„Michael Stiefel, der erste evangelische Prediger der Jörger in OÖ, nimmt ca. 1525 Einsicht in die Inquisitionsakten des Benediktinerstiftes Garsten und stellt fest, „das die Waldenser bereits 125 Jahre zuvor unterrichtet hätten, was ‚nun die neue Lehre‘ sei.““1
John Wiclif (um 1328-1384)
John Wiclif entstammte einer kleinadligen Familie aus Yorkshire, studierte Wissenschaften und dann Theologie und wurde 1372 in Oxford zum Doktor promoviert. Er wurde Professor in Oxford und trat dann in den Dienst des Königs von England. Ab 1374 veröffentlichte er seine Kritik an der kirchlichen Hierarchie und unterstrich die Bedeutung der Bibel als höchster Autorität. Wiclif wurde vorgeworfen, gesellschaftliche Unruhen zu schüren und seine Lehre wurde 1382 von drei von den Dominikanern in London abgehaltenen Synoden verdammt, er selbst jedoch nicht aus der Kirche ausgeschlossen.
Wiclif schickte seine Anhänger, die sogenannten Lollarden, in eigener Verantwortung aus, um zu predigen. Ihre Predigten fanden große Beachtung und führten in Sussex und in Kent zu einem blutig niedergeschlagenen Aufstand der Bauern. Auf Drängen der Lollarden wurden zwei englische Übersetzungen der Bibel angefertigt. 1401 wurden die Lollarden durch einen Erlass der englischen Krone zum Scheiterhaufen verurteilt.
Die Ideen von Wiclif wurden nicht nur in England verbreitet, sondern strahlten nach ganz Mitteleuropa aus. Vor allem in Prag wurden sie begeistert aufgenommen und beeinflussten die Lehre von Jan Hus.
Wiclif wurde erst lange nach seinem Tod durch das Konzil von Konstanz im Jahre 1415 als Ketzer verdammt. 1528 werden seine Gebeine ausgegraben und verbrannt, die Asche im Swift-Fluss verstreut.
Die Bewegung der Lollarden kündigte bestimmte Ideen der Reformation an und bereitete England auf den Bruch der englischen Staatskirche mit Rom vor, der 1534 von Heinrich IV. vollzogen wird.
Jan Hus (1369-1415)
Jan Hus stammte aus Böhmen und studierte in Prag. 1400 wurde er zum Priester geweiht, war später Beichtvater der böhmischen Königin sowie Dekan der Prager theologischen Fakultät. Er predigte in tschechischer Sprache, übersetzte die Evangelien und trug auf diese Weise zur Ausbildung der tschechischen Schriftsprache bei. Er wandte sich gegen das damalige Kirchensystem, predigte die Reform der Kirche, verdammte den Ablass und forderte die Rückkehr zu evangeliumsgemäßer Armut: Das Evangelium sei die einzige Richtschnur, und ein jeder habe das Recht, es zu studieren. Als Bewunderer der Schriften Wiclifs verteidigte er diesen.
Hus wurde aus der Kirche ausgeschlossen und aus Prag ausgewiesen. 1414 wird er vor das Konzil von Konstanz geladen und trotz Zusicherung des freien Geleits als Ketzer verurteilt und 1415 lebendig verbrannt. Auch seine Schriften landen auf dem Scheiterhaufen. Diese Ereignisse lösten die Hussitenkriege aus.
Jan Hus gilt als der Vorläufer der im 16. Jahrhundert wirkenden Reformatoren und besonders von Martin Luther, der die Veröffentlichung seiner Werke in Deutschland später mit einem eigenen Vorwort versah. Zwei Drittel der Tschechen schlossen sich der lutherischen Reformation an und übernahmen 1575 ein an die Augsburger Konfession angelehntes Glaubensbekenntnis.
1 Waldenser, Täufer, Reformation und Gegenreformation in der Stadt Steyr. Eine Materialsammlung von Franz Rathmayr, 23. August 2016